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»System Bilder« Bernhard
Sprute
Unter System versteht man den regelhaften strukturierten
Zusammenhang von Einzelheiten, Dingen oder Vorgängen, der entweder in
der Natur gegeben oder von Menschen hergestellt ist. Systemforschung dient
der Erfassung unterschiedlicher Zusammenhänge und wird heutzutage immer
interdisziplinär betrieben.
Die Arbeiten mit dem Titel "System" beziehen sich auf die über Jahrhunderte
stattfindende Adaption von Pflanzenformen und deren künstlerische Umgestaltung
durch Stilisierung/Vereinfachung, beispielsweise die hellenistisch-römischen
Rankenornamente, die Arabesken der islamischen Kunst, die im 16. und 17.
Jh. in ganz Europa in Mode gekommenen Mauresken, die zu Ende des 19. Jhs.
auf Erkenntnissen aus der Botanik basierenden Werke der Art Nouveau und
des Jugendstils oder die sogenannten Streumotive, vereinfachte Blüten-,
Blatt- oder Pflanzenformen, die als Streumuster zur dekorativen Flächengestaltung
bis heute Einsatz finden.
Mein Interesse gilt zum einen der ornamentalen Ästhetik, der Formübernahme
und Formveränderung, der Stilisierung und Rhythmisierung zum dekorativen
Füllwerk
- teilweise sinnvoll zur Gestaltung herangezogen, oft aber auch ohne Kraft,
zum Klischee erstarrt -, zum anderen besonders der Systematisierung dieser
Motive, der Verdeutlichung der Korrespondenz zwischen Mensch und Natur,
der Übernahme von Regelwerken, von systematischen "Zusammenstellungen".
Hier zeigen sich Parallelen zu meinen anderen Arbeiten, den Untersuchungen
von Strukturzusammenhängen in der Natur wie etwa dem Systemverhalten der
Tiere, z.B. der Bienen oder der Ziegen, dem Verbildlichen von Abfolgen,
wie Tag und Nacht, Ruhe und Unruhe, oder dem Einbezug von systematischen
Gruppierungen wie Kreis- oder Kreuzformationen als Reihung oder Häufung.
Sehr oft liegt auch eine Kombination von scheinbar Gegensätzlichem, wie
rund und eckig, hell und dunkel, farbig und unbunt, konstruktiv und gestisch-expressiv
vor, hier immer ausgerichtet auf das Prinzip der Harmonie der Gegensätze,
auch als "soziales System" zu bezeichnen.
Bei den "System-Bildern" finden wir ebenfalls die Benutzung des Gegensätzlichen.
Zum einen zeigt sich hier eine Fülle stilisierter Pflanzenmotive, zum
anderen das unsystematisch wirkende Umfeld mit seinen scheinbar zufällig
zusammentreffenden Formen, vehement aufgetragen, ineinanderfließenden
Farben, sich durch ein Abdrucken überlagernde, direkt aus der Tube aufgetragene
oder auch ausgegossene, dadurch nur wenig steuerbare Farben. Das ideale
"soziale System" formiert sich, indem Konstruiertes und Zufälliges verknüpft
wird und scheinbar wesensfremde Ebenen verbunden werden - im Sinne der
Bildung eines Systems der Harmonie, da sich zwischen stilisierten Pflanzenmotiven
und gestisch aufgetragenem Umfeld durch Übermalung und Überfließen der
Ebenen Wege der Annährung finden.
Bad Oeynhausen 2003
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