»Pflanze-Tier-Mensch - Vernissage Universitätsklinikum Mannheim« Maria Lucia Weigel

Bernhard Sprute zeigt Gemälde unter dem Titel „Pflanze – Tier – Mensch“. Die Abfolge dieser Begriffe ist nicht beliebig, vielmehr wird hierin die Abhängigkeit der Lebensformen voneinander deutlich, aber auch die Zugehörigkeit zueinander. Das eine unterstützt das andere, ist Lebensgrundlage und Anvertrautes zugleich.

Bernhard Sprute ist in einer bäuerlichen Umgebung aufgewachsen, der Umgang mit Pflanzen und Tieren gehört auch heute zu seinem Alltag. Die Kindheitserfahrung der Nähe zu diesen Daseinsformen des Lebendigen versucht der Erwachsene zu objektivieren, wie er mir in unserem Gespräch mitteilte. Die Kunst ist ein Weg, dies zu erreichen. Die schon früh erlebte Nähe bleibt, die Suche des Künstlers nach der Begegnung mit Pflanze und Tier. Verdichtet zeigt sich dieser Ansatz in dem Wunsch, in das andere Wesen sogar hineinsehen zu können. Künstlerisch äußert sich das nicht allein in der Begegnung des Menschen, zumeist des Künstlerselbsts, mit dem Tier und der Pflanze auf der Leinwand, so dass beide einander in den Blick nehmen und in einem intensiven, ja intimen Miteinander begriffen scheinen. Bernhard Sprute geht noch einen Schritt weiter. Die Menschliche Physiognomie und die äußere Erscheinung ihres zoomorphen oder floralen Gegenübers nehmen jeweils Züge des anderen an, verwandeln einander als Ausdruck einer inneren Verwandtschaft an. In der Arbeit „Hineinschauen“ berühren sich die Stirn der menschlichen Gestalt und der Schnabel des Vogels in einer sehr zärtlichen, innigen Geste des wechselseitigen Verständnisses. Fast scheint es, als ähnelten sich Nase und Schnabel. Formale Angleichungen sind Ausdruck eines Weltbildes der Entsprechungen, der geheimnisvollen inneren Verwandtschaften, die im Künstlerischen offengelegt werden können. Der Mensch und die Natur, die von uns Menschen stets als das Andere erlebt wird, sind keine Gegensätze, sie sind vielmehr in einem Verhältnis von Achtung und Akzeptanz unlösbar miteinander verbunden. Aus diesem Grundgedanken speist sich das gesamte Werk von Bernhard Sprute. Aus seinem Werk spricht die authentische innere Teilnahme am lebendigen Gegenüber, das als Faszinosum, als rätselhaftes Fremdes, ebenso erlebt wird wie als Teil der großen kosmischen Ordnung. Der Maler ist persönlich ergriffen von dem, was er sieht und erlebt. Ausgedehnte Spaziergänge, Erkundungsgänge in der Natur, die in der nächtlichen Dunkelheit unzählige Rätsel hervorbringt, stehen am Beginn einer künstlerischen Auseinandersetzung. Diese vollzieht sich in Assoziationsketten, die aus Fotos und kleinen Skizzen des Erlebten erwachsen. So mutet in den „Kartoffelbildern“ die Knolle wie ein menschlicher Kopf an – in der Tat haben ja auch Kartoffeln „Augen“, aus denen sie uns aus dem Bild heraus anschauen und die zugleich Keime treiben. Aspekte des Kreislaufes vom Wachsen und Ernten finden sich ebenfalls in den Arbeiten dieser Thematik. Das Grabgerät, mit dem Kartoffeln geerntet werden, scheint wie ein Nachbild in dem Gemälde mit dem Titel „Kartoffelbild Ernte“ auf; die Kreisscheibe mit den Schaufeln ist rund, wie die Kartoffel, die damit aus der Erde geholt wird. Parallelen in der formalen Erscheinung stellen hier die Verbindung zwischen den so verschiedenartigen Lebensbereichen her.

Die Vogelbilder, die in der Ausstellung in einigen Exemplaren vertreten sind, zeigen nicht die flüchtigen, scheuen Bewohner der Lüfte, die das Fliegen aus eigener Kraft dem Menschen voraus haben. Der Maler hält sie im Wortsinne fest, fordert sie mit seinen Mitteln zum Verweilen im Bild auf, so dass er sie in Ruhe anschauen kann und die Tiere ihn. Sie blicken aus menschlichen Augen, haben menschliche Regungen und eignen sich so unsere Sprache an, die uns eine Kommunikation mit ihnen ermöglicht. Fern jeder Verniedlichung nähert sich ihnen der Maler, respektvoll und behutsam. So entdeckt er auch das geheime Leben der Pflanzen in den „Schlafbildern“. Man möchte flüstern vor den weich gebetteten Chrysanthemen, vor den Blumen, die im Schlaf die Blüten schließen wie der Mensch die Augen. Auf einer anderen Ebene der Wahrnehmung angesiedelt, aber dennoch verwandt erscheint das Konzept das dem„Großen Barockbild mit Tulpen“ zugrunde liegt. Wie alle anderen Arbeiten, so ist auch dieses Werk in zahlreichen Farbschichten gewachsen. Es birgt unter der Oberfläche etliche andere, inkorporierte Bilder, Stillleben und Landschaften. Darüber ist ein Raster aus Tulpen gelegt, deren Form abstrahiert ist und sich beispielsweise in Malvorlagen findet. Es ist das Symbol einer Tulpe, das wiederum wie die darunterliegenden, nicht mehr sichtbaren Szenen, auf assoziative Weise auf das Land der Tulpen verweist, Holland. Im 17. Jahrhundert war diese Pflanze so kostbar wie pures Gold, sie war Statussymbol und findet sich auf zahlreichen Stillleben holländischer Maler.
Dieser Aspekt leitet zu einem weiteren Interessensschwerpunkt im Werk von Bernhard Sprute über. Der Kenner der europäischen Kunstgeschichte ist begeistert von den Landschaften der Malerfamilie Ruisdael, die zu den Meisterwerken des Goldenen Zeitalters der holländischen Malerei zählen. Seine Arbeiten zu Ruisdael-Landschaften wachsen aus Schichtungen von Bildern, in denen sich der Maler thematisch mit Baum und Blättern und mit Arabesken auseinandersetzt. Sie alle haben mit Natur zu tun und bilden in wörtlichem Sinne den Grund, auf dem sich die graphischen Abstraktionen einer Ruisdael-Landschaft entfalten. Der Malgrund in anderen Bildern zeigt sich als Projektionsfläche für unsere eigenen Vorstellungen, der Maler deutet an, wir vervollständigen die herausgearbeiteten Strukturen je nach unserem eigenen Wissen zu unserer individuellen Komposition.

Bernhard Sprute arbeitet in unterschiedlichen Maltechniken; die verwendeten Farben gehen komplexe Wechselwirkungen ein, leben, fließen, verschränken sich, bilden Verwandtschaften und Abstoßungsreaktionen aus, wie die Sujets stehen sie untereinander in Beziehung und bilden ein Gleichgewicht aus. Graphische Zeichnung und farbiger, malerisch erschlossener Grund sind charakteristisch für die hier gezeigten Arbeiten.

Maria Lucia Weigel, Heidelberg 2012